Reichs=Gesetzblatt.
Jahrgang 1896.
Nr: 21.
195
Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896
Inhalt:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was
folgt:
Sechster Titel.
Rechtliche Stellung der unehelichen Kinder.
§ 1705
Das uneheliche Kind hat im Verhältnisse zu der Mutter und zu den Verwandten der Mutter die rechtliche Stellung eines
ehelichen Kindes.
§ 1706
Das uneheliche Kind erhält den Familiennamen der Mutter.
Führt die Mutter in Folge ihrer Verheirathung einen anderen Namen, so erhält das Kind den Familiennamen, den die
Mutter vor der Verheirathung geführt hat. Der Ehemann der Mutter kann durch Erklärung gegenüber der zuständigen
Behörde dem Kinde mit Einwilligung des Kindes und der Mutter seinen Namen ertheilen; die Erklärung des Ehemanns
sowie die Einwilligungserklärungen des Kindes und der Mutter sind in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
§ 1707
Der Mutter steht nicht die elterliche Gewalt über das uneheliche Kind zu. Sie hat das Recht und die Pflicht, für die Person
des Kindes zu sorgen; zur Vertretung des Kindes ist sie nicht berechtigt. Der Vormund des Kindes hat, soweit der Mutter
die Sorge zusteht, die rechtliche Stellung eines Beistandes.
§ 1708
Der Vater des unehelichen Kindes ist verpflichtet, dem Kinde bis zur Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs den der
Lebensstellung der Mutter entsprechenden Unterhalt zu gewähren. Der Unterhalt umfaßt den gesammten Lebensbedarf
sowie die Kosten der Erziehung und der Vorbildung zu einem Berufe.
Ist das Kind zur Zeit der Vollendung des sechzehnten Lebensjahrs in Folge körperlicher oder geistiger Gebrechen außer
Stande, sich selbst zu unterhalten, so hat ihm der Vater auch über diese Zeit hinaus Unterhalt zu gewähren; die Vorschrift
des §. 1603 Abs. 1 findet Anwendung.
§ 1709
Der Vater ist vor der Mutter und den mütterlichen Verwandten des Kindes unterhaltspflichtig.
Soweit die Mutter oder ein unterhaltspflichtiger mütterlicher Verwandter dem Kinde den Unterhalt gewährt, geht der
Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Vater auf die Mutter oder den Verwandten über. Der Uebergang kann nicht
zum Nachtheile des Kindes geltend gemacht werden.
§ 1710
Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren.
Die Rente ist für drei Monate vorauszuzahlen. Durch eine Vorausleistung für eine spätere Zeit wird der Vater nicht befreit.
Hat das Kind den Beginn des Vierteljahrs erlebt, so gebührt ihm der volle auf das Vierteljahr entfallende Betrag.
§ 1711
Der Unterhalt kann auch für die Vergangenheit verlangt werden.
§ 1712
Der Unterhaltsanspruch erlischt nicht mit dem Tode des Vaters; er steht dem Kinde auch dann zu, wenn der Vater vor der
Geburt des Kindes gestorben ist.
Der Erbe des Vaters ist berechtigt, das Kind mit dem Betrag abzufinden, der dem Kinde als Pflichttheil gebühren würde,
wenn es ehelich wäre. Sind mehrere uneheliche Kinder vorhanden, so wird die Abfindung so berechnet wie wenn sie alle
ehelich wären.
§ 1713
Der Unterhaltsanspruch erlischt mit dem Tode des Kindes, soweit er nicht auf Erfüllung oder Schadensersatz wegen
Nichterfüllung für die Vergangenheit oder auf solche im voraus zu bewirkende Leistungen gerichtet ist, die zur Zeit des
Todes des Kindes fällig sind.
Die Kosten der Beerdigung hat der Vater zu tragen, soweit ihre Bezahlung nicht von dem Erben des Kindes zu erlangen
ist.
§ 1714
Eine Vereinbarung zwischen dem Vater und dem Kinde über den Unterhalt für die Zukunft oder über eine an Stelle des
Unterhalts zu gewährende Abfindung bedarf der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Ein unentgeltlicher Verzicht auf den Unterhalt für die Zukunft ist nichtig.
§ 1715
Der Vater ist verpflichtet, der Mutter die Kosten der Entbindung sowie die Kosten des Unterhalts für die ersten sechs
Wochen nach der Entbindung und, falls in Folge der Schwangerschaft oder der Entbindung weitere Aufwendungen
nothwendig werden, auch die dadurch entstehenden Kosten zu ersetzen. Den gewöhnlichen Betrag der zu ersetzenden
Kosten kann die Mutter ohne Rücksicht auf den wirklichen Aufwand verlangen.
Der Anspruch steht der Mutter auch dann zu, wenn der Vater vor der Geburt des Kindes gestorben oder wenn das Kind
todt geboren ist.
Der Anspruch verjährt in vier Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablaufe von sechs Wochen nach der Geburt des
Kindes.
§ 1716
Schon vor der Geburt des Kindes kann auf Antrag der Mutter durch einstweilige Verfügung angeordnet werden, daß der
Vater den für die ersten drei Monate dem Kinde zu gewährenden Unterhalt alsbald nach der Geburt an die Mutter oder
an den Vormund zu zahlen und den erforderlichen Betrag angemessene Zeit vor der Geburt zu hinterlegen hat. In
gleicher Weise kann auf Antrag der Mutter die Zahlung des gewöhnlichen Betrags der nach §. 1715 Abs. 1 zu ersetzenden
Kosten an die Mutter und die Hinterlegung des erforderlichen Betrags angeordnet werden.
Zur Erlassung der einstweiligen Verfügung ist nicht erforderlich, daß eine Gefährdung des Anspruchs glaubhaft gemacht
wird.
§ 1717
Als Vater des unehelichen Kindes im Sinne der §§. 1708 bis 1716 gilt, wer der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit
beigewohnt hat, es sei denn, daß auch ein Anderer ihr innerhalb dieser Zeit beigewohnt hat. Eine Beiwohnung bleibt
jedoch außer Betracht, wenn es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Mutter das Kind aus dieser
Beiwohnung empfangen hat.
Als Empfängnißzeit gilt die Zeit von dem einhunderteinundachtzigsten bis zu dem dreihundertundzweiten Tage vor dem
Tage der Geburt des Kindes, mit Einschluß sowohl des einhunderteinundachtzigsten als des dreihundertundzweiten
Tages.
§ 1718
Wer seine Vaterschaft nach der Geburt des Kindes in einer öffentlichen Urkunde anerkennt, kann sich nicht darauf
berufen, daß ein Anderer der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohnt habe.
Siebenter Titel.
Legitimation unehelicher Kinder.
I. Legitimation durch nachfolgende Ehe.
§ 1719
Ein uneheliches Kind erlangt dadurch, daß sich der Vater mit der Mutter verheirathet, mit der Eheschließung die
rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes.
§ 1720
Der Ehemann der Mutter gilt als Vater des Kindes, wenn er ihr innerhalb der im § 1717 Abs. 2 bestimmten
Empfängnißzeit beigewohnt hat, es sei denn, daß es den Umständen nach offenbar unmöglich ist, daß die Mutter das
Kind aus dieser Beiwohnung empfangen hat.
Erkennt der Ehemann seine Vaterschaft nach der Geburt des Kindes in einer öffentlichen Urkunde an, so wird vermuthet,
daß er der Mutter innerhalb der Empfängnißzeit beigewohnt habe.
§ 1721
Ist die Ehe der Eltern nichtig, so finden die Vorschriften der §§. 1699 bis 1704 entsprechende Anwendung.
§ 1722
Die Eheschließung zwischen den Eltern hat für die Abkömmlinge des unehelichen Kindes die Wirkungen der Legitimation
auch dann, wenn das Kind vor der Eheschließung gestorben ist.
II. Ehelichkeitserklärung.
§ 1723
Ein uneheliches Kind kann auf Antrag seines Vaters durch eine Verfügung der Staatsgewalt für ehelich erklärt werden.
Die Ehelichkeitserklärung steht dem Bundesstaate zu, dem der Vater angehört; ist der Vater ein Deutscher, der keinem
Bundesstaat angehört, so steht sie dem Reichskanzler zu.
Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate zustehenden Ehelichkeitserklärung hat die Landesregierung zu
bestimmen.
§ 1724
Die Ehelichkeitserklärung kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
§ 1725
Der Antrag muß die Erklärung des Vaters enthalten, daß er das Kind als das seinige anerkenne.
§ 1726
Zur Ehelichkeitserklärung ist die Einwilligung des Kindes und, wenn das Kind nicht das einundzwanzigste Lebensjahr
vollendet hat, die Einwilligung der Mutter erforderlich. Ist der Vater verheirathet, so bedarf er auch der Einwilligung
seiner Frau.
Die Einwilligung hat dem Vater oder der Behörde gegenüber zu erfolgen, bei welcher der Antrag einzureichen ist; sie ist
unwiderruflich.
Die Einwilligung der Mutter ist nicht erforderlich, wenn die Mutter zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande
oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt ist. Das Gleiche gilt von der Einwilligung der Frau des Vaters.
§ 1727
Wird die Einwilligung von der Mutter verweigert, so kann sie auf Antrag des Kindes durch das Vormundschaftsgericht
ersetzt werden, wenn das Unterbleiben der Ehelichkeitserklärung dem Kinde zu unverhältnißmäßigem Nachtheile
gereichen würde.
§ 1728
Der Antrag auf Ehelichkeitserklärung sowie die Einwilligung der im §. 1726 bezeichneten Personen kann nicht durch
einen Vertreter erfolgen.
Ist das Kind geschäftsunfähig oder hat es nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet, so kann sein gesetzlicher Vertreter
die Einwilligung mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ertheilen.
§ 1729
Ist der Vater in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er zu dem Antrag, außer der Zustimmung seines
gesetzlichen Vertreters, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Ist das Kind in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so gilt das Gleiche für die Ertheilung seiner Einwilligung.
Ist die Mutter des Kindes oder die Frau des Vaters in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so ist zur Ertheilung ihrer
Einwilligung die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht erforderlich.
§ 1730
Der Antrag sowie die Einwilligungserklärung der im §. 1726 bezeichneten Personen bedarf der gerichtlichen oder
notariellen Beurkundung.
§ 1731
Ist der Antrag oder die Einwilligung einer der im §. 1726 bezeichneten Personen anfechtbar, so gelten für die Anfechtung
und für die Bestätigung der anfechtbaren Erklärung die Vorschriften der §§. 1728, 1729.
§ 1732
Die Ehelichkeitserklärung ist nicht zulässig, wenn zur Zeit der Erzeugung des Kindes die Ehe zwischen den Eltern nach §.
1310 Abs. 1 wegen Verwandtschaft oder Schwägerschaft verboten war.
§ 1733
Die Ehelichkeitserklärung kann nicht nach dem Tode des Kindes erfolgen.
Nach dem Tode des Vaters ist die Ehelichkeitserklärung nur zulässig, wenn der Vater den Antrag bei der zuständigen
Behörde eingereicht oder bei oder nach der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung des Antrags das Gericht oder
den Notar mit der Einreichung betraut hat.
Die nach dem Tode des Vaters erfolgte Ehelichkeitserklärung hat die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Tode des
Vaters erfolgt wäre.
§ 1734
Die Ehelichkeitserklärung kann versagt werden, auch wenn ihr ein gesetzliches Hinderniß nicht entgegensteht.
§ 1735
Auf die Wirksamkeit der Ehelichkeitserklärung ist es ohne Einfluß, wenn der Antragsteller nicht der Vater des Kindes ist
oder wenn mit Unrecht angenommen worden ist, daß die Mutter des Kindes oder die Frau des Vaters zur Abgabe einer
Erklärung dauernd außer Stande oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt sei.
§ 1736
Durch die Ehelichkeitserklärung erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes.
§ 1737
Die Wirkungen der Ehelichkeitserklärung erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes; sie erstrecken sich nicht auf
die Verwandten des Vaters. Die Frau des Vaters wird nicht mit dem Kinde, der Ehegatte des Kindes wird nicht mit dem
Vater verschwägert.
Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Kinde und seinen Verwandten
ergeben, bleiben unberührt, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt.
§ 1738
Mit der Ehelichkeitserklärung verliert die Mutter das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Hat sie
dem Kinde Unterhalt zu gewähren, so treten Recht und Pflicht wieder ein, wenn die elterliche Gewalt des Vaters endigt
oder wenn sie wegen Geschäftsunfähigkeit des Vaters oder nach §. 1677 ruht.
§ 1739
Der Vater ist dem Kinde und dessen Abkömmlingen vor der Mutter und den mütterlichen Verwandten zur Gewährung
des Unterhalts verpflichtet.
§ 1740
Will der Vater eine Ehe eingehen, während er die elterliche Gewalt über das Kind hat, so finden die Vorschriften der §§.
1669 bis 1671 Anwendung.
Achter Titel.
Annahme an Kindesstatt.
§ 1741
Wer keine ehelichen Abkömmlinge hat, kann durch Vertrag mit einem Anderen diesen an Kindesstatt annehmen. Der
Vertrag bedarf der Bestätigung durch das zuständige Gericht.
§ 1742
Die Annahme an Kindesstatt kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
§ 1743
Das Vorhandensein eines angenommenen Kindes steht einer weiteren Annahme an Kindesstatt nicht entgegen.
§ 1744
Der Annehmende muß das fünfzigste Lebensjahr vollendet haben und mindestens achtzehn Jahre älter sein als das Kind.
§ 1745
Von den Erfordernissen des §. 1744 kann Befreiung bewilligt werden, von der Vollendung des fünfzigsten Lebensjahrs
jedoch nur, wenn der Annehmende volljährig ist.
Die Bewilligung steht dem Bundesstaate zu, dem der Annehmende angehört; ist der Annehmende ein Deutscher, der
keinem Bundesstaat angehört, so steht die Bewilligung dem Reichskanzler zu.
Ueber die Ertheilung der einem Bundesstaate zustehenden Bewilligung hat die Landesregierung zu bestimmen.
§ 1746
Wer verheirathet ist, kann nur mit Einwilligung seines Ehegatten an Kindesstatt annehmen oder angenommen werden.
Die Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn der Ehegatte zur Abgabe einer Erklärung dauernd außer Stande oder sein
Aufenthalt dauernd unbekannt ist.
§ 1747
Ein eheliches Kind kann bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs nur mit Einwilligung der Eltern, ein
uneheliches Kind kann bis zum gleichen Lebensalter nur mit Einwilligung der Mutter an Kindesstatt angenommen
werden. Die Vorschrift des §. 1746 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
§ 1748
Die Einwilligung der in den §§. 1746, 1747 bezeichneten Personen hat dem Annehmenden oder dem Kinde oder dem für
die Bestätigung des Annahmevertrags zuständigen Gerichte gegenüber zu erfolgen; sie ist unwiderruflich.
Die Einwilligung kann nicht durch einen Vertreter ertheilt werden. Ist der Einwilligende in der Geschäftsfähigkeit
beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters.
Die Einwilligungserklärung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung.
§ 1749
Als gemeinschaftliches Kind kann ein Kind nur von einem Ehepaar angenommen werden.
Ein angenommenes Kind kann, solange das durch die Annahme begründete Rechtsverhältniß besteht, nur von dem
Ehegatten des Annehmenden an Kindesstatt angenommen werden.
§ 1750
Der Annahmevertrag kann nicht durch einen Vertreter geschlossen werden. Hat das Kind nicht das vierzehnte Lebensjahr
vollendet, so kann sein gesetzlicher Vertreter den Vertrag mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts schließen.
Der Annahmevertrag muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Theile vor Gericht oder vor einem Notar geschlossen
werden.
§ 1751
Ist der Annehmende in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er zur Eingehung des Vertrags, außer der
Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Das Gleiche gilt für das Kind, wenn es in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist.
§ 1752
Will ein Vormund seinen Mündel an Kindesstatt annehmen, so soll das Vormundschaftsgericht die Genehmigung nicht
ertheilen, solange der Vormund im Amte ist. Will Jemand seinen früheren Mündel an Kindesstatt annehmen, so soll das
Vormundschaftsgericht die Genehmigung nicht ertheilen, bevor über seine Verwaltung Rechnung gelegt und das
Vorhandensein des Mündelvermögens nachgewiesen hat.
Das Gleiche gilt, wenn ein zur Vermögensverwaltung bestellter Pfleger seinen Pflegling oder seinen früheren Pflegling an
Kindesstatt annehmen will.
§ 1753
Die Bestätigung des Annahmevertrags kann nicht nach dem Tode des Kindes erfolgen.
Nach dem Tode des Annehmenden ist die Bestätigung nur zulässig, wenn der Annehmende oder das Kind den Antrag auf
Bestätigung bei dem zuständigen Gericht eingereicht oder bei oder nach der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung
des Vertrags das Gericht oder den Notar mit der Einreichung betraut hat.
Die nach dem Tode des Annehmenden erfolgte Bestätigung hat die gleiche Wirkung, wie wenn sie vor dem Tode erfolgt
wäre.
§ 1754
Die Annahme an Kindesstatt tritt mit der Bestätigung in Kraft. Die Vertragschließenden sind schon vor der Bestätigung
gebunden.
Die Bestätigung ist nur zu versagen, wenn ein gesetzliches Erforderniß der Annahme an Kindesstatt fehlt. Wird die
Bestätigung endgültig versagt, so verliert der Vertrag seine Kraft.
§ 1755
Ist der Annahmevertrag oder die Einwilligung einer der in den §§. 1746, 1747 bezeichneten Personen anfechtbar, so
gelten für die Anfechtung und für die Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts die Vorschriften des §. 1748 Abs. 2,
des §. 1750 Abs. 1 und des §. 1751.
§ 1756
Auf die Wirksamkeit der Annahme an Kindesstatt ist es ohne Einfluß, wenn bei der Bestätigung des Annahmevertrags mit
Unrecht angenommen worden ist, daß eine der in den §§. 1746, 1747 bezeichneten Personen zur Abgabe einer Erklärung
dauernd außer Stande oder ihr Aufenthalt dauernd unbekannt sei.
§ 1757
Durch die Annahme an Kindesstatt erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes des Annehmenden.
Wird von einem Ehepaare gemeinschaftlich ein Kind angenommen oder nimmt ein Ehegatte ein Kind des anderen
Ehegatten an, so erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen ehelichen Kindes der Ehegatten.
§ 1758
Das Kind erhält den Familiennamen des Annehmenden. Wird das Kind von einer Frau angenommen, die in Folge ihrer
Verheirathung einen anderen Namen führt, so erhält es den Familiennamen, den die Frau vor der Verheirathung geführt
hat. In den Fällen des §. 1757 Abs. 2 erhält das Kind den Familiennamen des Mannes.
Das Kind darf dem neuen Namen seinen früheren Familiennamen hinzufügen, sofern nicht in dem Annahmevertrag ein
Anderes bestimmt ist.
§ 1759
Durch die Annahme an Kindesstatt wird ein Erbrecht für den Annehmenden nicht begründet.
§ 1760
Der Annehmende hat über das Vermögen des Kindes, soweit es auf Grund der elterlichen Gewalt seiner Verwaltung
unterliegt, auf seine Kosten ein Verzeichniß aufzunehmen und dem Vormundschaftsgericht einzureichen; er hat das
Verzeichniß mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das eingereichte Verzeichniß
ungenügend, so findet die Vorschrift des §. 1640 Abs. 2 Satz 1 Anwendung.
Erfüllt der Annehmende die ihm nach Abs. 1 obliegende Verpflichtung nicht, so kann ihm das Vormundschaftsgericht die
Vermögensverwaltung entziehen. Die Entziehung kann jederzeit wiederaufgehoben werden.
§ 1761
Will der Annehmende eine Ehe eingehen, während er die elterliche Gewalt über das Kind hat, so finden die Vorschriften
der §§. 1669 bis 1671 Anwendung.
§ 1762
Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt erstrecken sich auf die Abkömmlinge des Kindes. Auf einen zur Zeit des
Vertragsabschlusses schon vorhandenen Abkömmling und dessen später geborene Abkömmlinge erstrecken sich die
Wirkungen nur, wenn der Vertrag auch mit dem schon vorhandenen Abkömmlinge geschlossen wird.
§ 1763
Die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt erstrecken sich nicht auf die Verwandten des Annehmenden. Der Ehegatte
des Annehmenden wird nicht mit dem Kinde, der Ehegatte des Kindes wird nicht mit dem Annehmenden verschwägert.
§ 1764
Die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem Kinde und seinen Verwandten
ergeben, werden durch die Annahme an Kindesstatt nicht berührt, soweit nicht das Gesetz ein Anderes vorschreibt.
§ 1765
Mit der Annahme an Kindesstatt verlieren die leiblichen Eltern die elterliche Gewalt über das Kind, die uneheliche Mutter
das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen.
Hat der Vater oder die Mutter dem Kinde Unterhalt zu gewähren, so treten das Recht und die Pflicht, für die Person des
Kindes zu sorgen, wieder ein, wenn die elterliche Gewalt des Annehmenden endigt oder wenn sie wegen
Geschäftsunfähigkeit des Annehmenden oder nach §. 1677 ruht. Das Recht zur Vertretung des Kindes tritt nicht wieder
ein.
§ 1766
Der Annehmende ist dem Kinde und denjenigen Abkömmlingen des Kindes, auf welche sich die Wirkungen der Annahme
erstrecken, vor den leiblichen Verwandten des Kindes zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet.
Der Annehmende steht im Falle des §. 1611 Abs. 2 den leiblichen Verwandten der aufsteigenden Linie gleich.
§ 1767
In dem Annahmevertrage kann die Nutznießung des Annehmenden an dem Vermögen des Kindes sowie das Erbrecht
des Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschlossen werden.
Im Uebrigen können die Wirkungen der Annahme an Kindesstatt in dem Annahmevertrage nicht geändert werden.
§ 1768
Das durch die Annahme an Kindesstatt begründete Rechtsverhältniß kann wiederaufgehoben werden. Die Aufhebung
kann nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung erfolgen.
Die Aufhebung erfolgt durch Vertrag zwischen dem Annehmenden, dem Kinde und denjenigen Abkömmlingen des
Kindes, auf welche sich die Wirkungen der Annahme erstrecken.
Hat ein Ehepaar gemeinschaftlich ein Kind angenommen oder hat ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten
angenommen, so ist zu der Aufhebung die Mitwirkung beider Ehegatten erforderlich.
§ 1769
Nach dem Tode des Kindes können die übrigen Betheiligten das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältniß durch
Vertrag aufheben. Das Gleiche gilt in den Fällen des §. 1757 Abs. 2 nach dem Tode eines der Ehegatten.
§ 1770
Die für die Annahme an Kindesstatt geltenden Vorschriften des §. 1741 Satz 2 und der §§. 1750, 1751, 1753 bis 1755
gelten auch für die Aufhebung.
§ 1771
Schließen Personen, die durch Annahme an Kindesstatt verbunden sind, der Vorschrift des §. 1311 zuwider eine Ehe, so
tritt mit der Eheschließung die Aufhebung des durch die Annahme zwischen ihnen begründeten Rechtsverhältnisses ein.
Ist die Ehe nichtig, so wird, wenn dem einen Ehegatten die elterliche Gewalt über den anderen zusteht, diese mit der
Eheschließung verwirkt. Die Verwirkung tritt nicht ein, wenn die Nichtigkeit der Ehe auf einem Formmangel beruht und
die Ehe nicht in das Heirathsregister eingetragen worden ist.
§ 1772
Mit der Aufhebung der Annahme an Kindesstatt verlieren das Kind und diejenigen Abkömmlinge des Kindes, auf welche
sich die Aufhebung erstreckt, das Recht, den Familiennamen des Annehmenden zu führen. Diese Vorschrift findet in den
Fällen des §. 1757 Abs. 2 keine Anwendung, wenn die Aufhebung nach dem Tode eines der Ehegatten erfolgt.
…
Reichsgesetzblatt 1896, S. 195, Nr. 21, ausgegeben am 24. 08. 1896, in Kraft seit 01. 01. 1900
(1.
Fassung
-
Reichsgesetzblatt
1896,
S.
195,
Nr.
21,
ausgegeben
am
24.
08.
1896,
in
Kraft
seit
01.
01.
1900) Bürgerliches Gesetzbuch. Vom 18. August 1896.