Reichs=Gesetzblatt.
Jahrgang 1913.
Nr: 46.
583
Reichs- und S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t s g e s e t z. S. 583 Gesetz zur Abänderung des Reichs-
militärgesetzes sowie des Krieges, betreffend Änderungen der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888.
S. 593. Gesetz, betreffend die Änderung zweier Reichstagswahlkreise. S. 597.
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz. Vom 22. Juli 1913.
(Nr. 4263.)
Inhalt:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.
verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags, was
folgt:
Erster Abschnitt.
Allgemein Vorschriften.
§ 1
Deutscher ist, wer die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat (§§ 3 bis 32) oder die unmittelbare Reichsangehörigkeit
(§§ 3 bis 35) besitzt.
§ 2
[1] Elsaß-Lothringen gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bundesstaat.
[2] Die Schutzgebiete gelten im Sinne dieses Gesetzes als Inland.
Zweiter Abschnitt.
Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate.
§ 3
Die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate wird erworben
1.
durch Geburt (§ 4),
2.
durch Legitimation (§ 5),
3.
durch Eheschließung (§ 6),
4.
für einen Deutschen durch Aufnahme (§§ 7, 14, 16),
5.
für einen Ausländer durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16).
§ 4
[1] Durch die Geburt erwirbt das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind
eines Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter.
[2] Ein Kind, das in dem Gebiet eines Bundesstaates aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweise des Gegenteil
als Kind eines Angehörigen dieses Bundesstaats.
§ 5
Eine nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation durch einen Deutschen begründet für das Kind die
Staatsangehörigkeit des Vaters.
§ 6
Durch die Eheschließung mit einem Deutschen erwirbt die Frau die Staatsangehörigkeit des Mannes.
§ 7
[1] Die Aufnahme muß einem Deutschen von jedem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, auf
seinen Antrag erteilt werden, falls kein Grund vorliegt, der nach den §§ 3 bis 5 des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1.
November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 55) die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des
Aufenthalts rechtfertigt.
[2] Der Antrag einer Ehefrau bedarf der Zustimmung des Mannes; die fehlende Zustimmung kann durch die
Vormundschaftsbehörde ersetzt werden. Für eine unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehende Person
wird, wenn sie das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, der Antrag von dem gesetzlichen Vertreter gestellt;
hat sie das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so bedarf ihr Antrag der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.
§ 8
[1] Ein Ausländer, der sich im Inland niedergelassen hat, kann von dem Bundesstaat, in dessen Gebiete der
Niederlassung erfolgt ist, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er
1.
nach den Gesetzen seiner bisherigen Heimat unbeschränkt geschäftsfähig ist oder nach den deutschen Gesetzen
unbeschränkt geschäftsfähig sein würde oder der Antrag in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 2 Satz 2 von seinem
gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung gestellt wird,
2.
einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat,
3.
an dem Orte seiner Niederlassung eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und
4.
an diesem Orte sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist.
[2] Vor der Einbürgerung ist über die Erfordernisse unter Nr. 2 bis 4 die Gemeinde des Niederlassungsorts und, sofern
diese keine selbständigen Armenverband bildet, auch der Armenverband zu hören.
§ 9
[1] Die Einbürgerung in einem Bundesstaat darf erst erfolgen, nachdem durch den Reichskanzler festgestellt worden ist,
daß keiner der übrigen Bundesstaaten Bedenken dagegen erhoben hat; erhebt ein Bundesstaat Bedenken, so
entscheidet der Bundesrat. Die Bedenken können nur auf Tatsachen gestützt werden, welche die Besorgnis rechtfertigen,
daß die Einbürgerung des Antragstellers das Wohl des Reichs oder eines Bundesstaats gefährden würde.
[2] Die Vorschriften des Abs. 1 finden keine Anwendung
1.
auf ehemalige Angehörige des Bundesstaats, bei dem der Antrag gestellt wird, auf deren Kinder oder Enkel sowie
auf Personen, die von einem Angehörigen des Staates an Kindes Statt angenommen sind, es sei denn, daß der
Antragsteller einem ausländischen Staate angehört,
2.
auf Ausländer, die im Deutschen Reiche geboren sind, wenn sie sich in dem Bundesstaate, bei dem der Antrag
gestellt wird, bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahrs dauernd aufgehalten haben und die Einbürgerung
innerhalb zweier Jahre nach diesem Zeitpunkt beantragen.
§ 10
Die Witwe oder geschiedene Ehefrau eines Ausländers, die zur Zeit ihrer Eheschließung eine Deutsche war, muß auf
ihren Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet sie sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn sie den
Erfordernissen des § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 entspricht. Über das Erfordernis unter Nr. 2 ist vor der Einbürgerung die Gemeinde
des Niederlassungsorts zu hören.[1]
§ 11
Ein ehemaliger Deutscher, der als Minderjähriger die Reichsangehörigkeit durch Entlassung verloren hat, muß auf
seinen Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er den
Erfordernissen des § 8 Abs. 1 entspricht und den Antrag innerhalb zweier Jahre nach der Volljährigkeit stellt. Die
Vorschrift des § 8 Abs. 2 findet Anwendung.[2]
§ 12
Ein Ausländer, der mindestens ein Jahr wie ein Deutscher im Heere oder in der Marine aktiv gedient hat, muß auf seinen
Antrag von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er den
Erfordernissen des § 8 Abs. 1 entspricht und die Einbürgerung nicht das Wohl des Reichs oder eines Bundesstaats
gefährden würde. Die Vorschriften des § 8 Abs. 2 und des § 9 finden Anwendung.[3]
§ 13
Ein ehemaliger Deutscher, der sich im Inland niedergelassen hat, kann von dem Bundesstaate, dem er früher angehört
hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 entspricht; dem
ehemaligen Deutschen steht gleich, wer von einem solchen abstammt oder an Kinder Statt angenommen ist. Vor der
Einbürgerung ist dem Reichskanzler Mitteilung zu machen; die Einbürgerung unterbleibt, wenn der Reichskanzler
Bedenken erhebt.
§ 14
[1] Die von der Regierung oder der Zentral- oder höheren Verwaltungsbehörde eines Bundesstaats vollzogene oder
bestätigte Anstellung im unmittelbaren oder mittelbaren Staatsdienst, im Dienste einer Gemeinde oder eines
Gemeindeverbandes, im öffentlichen Schuldienst oder im Dienste einer von dem Bundesstaat anerkannten
Religionsgemeinschaft gilt für einen Deutschen als Aufnahme, für einen Ausländer als Einbürgerung, sofern nicht in der
Anstellungs- oder Bestätigungsurkunde ein Vorbehalt gemacht wird.
[2] Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Anstellung als Offizier oder Beamter des Beurlaubtenstandes.
§ 15
[1] Die im Reichsdienst erfolgte Anstellung eines Ausländers, der seinen dienstlichen Wohnsitz in einem Bundesstaate
hat, gilt als Einbürgerung in diesen Bundesstaat, sofern nicht in der Anstellungsurkunde ein Vorbehalt gemacht wird.
[2] Hat der Angestellte seinen dienstlichen Wohnsitz im Ausland und bezieht er ein Diensteinkommen aus der
Reichskasse, so muß er von dem Bundesstaate, bei dem er den Antrag stellt, eingebürgert werden; bezieht er kein
Diensteinkommen aus der Reichskasse, so kann er mit Zustimmung des Reichskanzlers eingebürgert werden.[4]
§ 16
[1] Die Aufnahme oder Einbürgerung wird wirksam mit der Aushändigung der von der höheren Verwaltungsbehörde
hierüber ausgefertigten Urkunde oder der Urkunde über die unter den Voraussetzungen des § 14 oder des § 15 Abs. 1
erfolgte Anstellung.
[2] Die Aufnahme oder Einbürgerung erstreckt sich, insofern nicht in der Urkunde ein Vorbehalt gemacht wird, zugleich
auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Aufgenommenen oder Eingebürgerten kraft
elterlicher Gewalt zusteht. Ausgenommen sind Töchter, die verheiratet sind oder verheiratet gewesen sind.
§ 17
Die Staatsangehörigkeit geht verloren
1.
durch Entlassung (§§ 18 bis 24),
2.
durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit (§ 25),
3.
durch Nichterfüllung der Wehrpflicht (§§ 26, 29),
4.
durch Ausspruch der Behörde (§§ 27 bis 29),
5.
für ein uneheliches Kind durch eine von dem Angehörigen eines anderen Bundesstaats oder von einem Ausländer
bewirkte und nach den deutschen Gesetzen wirksame Legitimation,
6.
für eine Deutsche durch Eheschließung mit dem Angehörigen eines anderen Bundesstaats oder mit einem
Ausländer.
§ 18
Die Entlassung einer Ehefrau kann nur von dem Manne und, sofern dieser ein Deutscher ist, nur zugleich mit seiner
Entlassung beantragt werden. Der Antrag bedarf der Zustimmung der Frau.
§ 19
[1] Die Entlassung einer Person, die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, kann nur von dem
gesetzlichen Vertreter und nur mit Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Gegen die
Entscheidung des Vormundschaftsgerichts steht auch der Staatsanwaltschaft die Beschwerde zu; gegen den Beschluß
des Beschwerdegerichts ist die weitere Beschwerde unbeschränkt zulässig.
[2] Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich, wenn der Vater oder die Mutter die Entlassung
für sich und zugleich kraft elterlicher Gewalt für ein Kind beantragt und dem Antragsteller die Sorge für die Person des
Kindes zusteht. Erstreckt sich der Wirkungskreis eines der Mutter bestellten Beistandes auf die Sorge für die Person des
Kindes, so bedarf die Mutter zu dem Antrag auf Entlassung des Kindes die Genehmigung des Beistandes.
§ 20
Die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate bewirkt zugleich die Entlassung aus der
Staatsangehörigkeit in jedem anderen Bundesstaate, soweit sich der Entlassene nicht die Staatsangehörigkeit in einem
anderen Bundesstaate durch eine Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde des entlassenden Staates vorbehält.
Dieser Vorbehalt muß in der Entlassungsurkunde vermerkt werden.
§ 21
Die Entlassung muß jedem Staatsangehörigen auf seinen Antrag erteilt werden, wenn er die Staatsangehörigkeit in
einem anderen Bundesstaate besitzt und sich diese gemäß § 20 vorbehält.
§ 22
[1] Fehlt es an den Voraussetzungen des § 21, so wird die Entlassung nicht erteilt
1.
Wehrpflichtigen, über deren Dienstverpflichtung noch nicht endgültig entschieden ist, sofern sie nicht ein Zeugnis
der Ersatzkommission darüber beibringen, daß nach der Überzeugung der Kommission die Entlassung nicht in der
Absicht nachgesucht wird, die Erfüllung der aktiven Dienstpflicht zu umgehen,
2.
Mannschaften des aktiven Heeres, der aktiven Marine oder der aktiven Schutztruppen,
3.
Mannschaften des Beurlaubtenstandes der im § 56 Nr. 2 bis 4 des Reichsmilitärgesetzes bezeichneten Art, sofern sie
nicht die Genehmigung der Militärbehörde erhalten haben,
4.
sonstige Mannschaften der Beurlaubtenstandes, nachdem sie eine Einberufung zum aktiven Dienste erhalten
haben,
5.
Beamten und Offiziere, mit Einschluß derer des Beurlaubtenstandes, bevor sie aus dem Dienste entlassen sind.
[2] Aus anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Gründen darf in Friedenszeiten die Entlassung nicht versagt werden. Für
die Zeit des Krieges oder einer Kriegsgefahr bliebt dem Kaiser der Erlaß besonderer Anordnungen vorbehalten.
§ 23
[1] Die Entlassung wird wirksam mit der Aushändigung einer von der höheren Verwaltungsbehörde des Heimatstaats
ausgefertigten Entlassungsurkunde. Die Urkunde wird nicht ausgehändigt an Personen, die verhaftet sind oder deren
Verhaftung oder Festnahme von einer Gerichts- oder Polizeibehörde angeordnet ist.
[2] Soll sich die Entlassung zugleich auf die Ehefrau oder die Kinder des Antragstellers beziehen, so müssen auch diese
Personen in der Entlassungsurkunde mit Namen aufgeführt sein.
§ 24
[1] Die Entlassung gilt als nicht erfolgt, wenn der Entlassene beim Ablauf eines Jahres nach der Aushändigung der
Entlassungsurkunde seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Inland hat.
[2] Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn der Entlassene sich die Staatsangehörigkeit in einem anderen
Bundesstaate gemäß § 20 vorbehalten hat.
§ 25
[1] Ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, verliert seine
Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag
oder den Antrag des Ehemanns oder des gesetzlichen Vertreters erfolgt, die Ehefrau und der Vertretene jedoch nur,
wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach den §§ 18, 19 die Entlassung beantragt werden könnte.
[2] Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag
die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde seines Heimatstaats zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit
erhalten hat. Vor der Erteilung der Genehmigung ist der deutsche Konsul zu hören.
[3] Unter Zustimmung des Bundesrats kann von dem Reichskanzler angeordnet werden, daß Personen, welche die
Staatsangehörigkeit in einem bestimmten ausländischen Staate erwerben wollen, die im Abs. 2 vorgesehene
Genehmigung nicht erteilt werden darf.
§ 26
[1] Ein militärpflichtiger Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, verliert
seine Staatsangehörigkeit mit der Vollendung einunddreißigsten Lebensjahrs, sofern er bis zu diesem Zeitpunkt noch
keine endgültige Entscheidung über seine Dienstverpflichtung herbeigeführt hat, auch eine Zurückstellung über diesen
Zeitpunkt hinaus nicht erfolgt ist.
[2] Ein fahnenflüchtiger Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt hat, verliert seine
Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntmachung des Beschlusses, durch den er für
fahnenflüchtig erklärt worden ist (§ 360 der Militärstrafgerichtsordnung). Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf
Mannschaften der Reserve, der Landes- oder Seewehr und der Ersatzreserve, die für fahnenflüchtig erklärt worden sind,
weil sie der Einberufung zum Dienste keine Folge geleistet haben, es sei denn, daß die Einberufung nach
Bekanntmachung der Kriegsbereitschaft oder nach Anordnung der Mobilmachung erfolgt ist.
[3] Wer auf Grund der Vorschriften des Abs. 1 und 2 seine Staatsangehörigkeit verloren hat, kann von einem
Bundesstaate nur nach Anhörung der Militärbehörde eingebürgert werden. Weist er nach, daß ihm ein Verschulden nicht
zur Last fällt, so darf ihm die Einbürgerung von dem Bundesstaate, dem er früher angehörte, nicht versagt werden.[5]
§ 27
[1] Ein Deutscher, der sich im Ausland aufhält, kann seiner Staatsangehörigkeit durch Beschluß der Zentralbehörde
seines Heimatstaats verlustig erklärt werden, wenn er im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer vom Kaiser
angeordneten Aufforderung zur Rückkehr keine Folge leistet.
[2] Gehört er mehreren Bundesstaaten an, so verliert er durch den Beschluß die Staatsangehörigkeit in allen
Bundesstaaten.
§ 28
[1] Ein Deutscher, der ohne Erlaubnis seiner Regierung in ausländische Staatsdienste getreten ist, kann seiner
Staatsangehörigkeit durch Beschluß der Zentralbehörde seines Heimatstaats verlustig erklärt werden, wenn er einer
Aufforderung zum Austritt nicht Folge leistet.
[2] Gehört er mehreren Bundesstaaten an, so verliert er durch den Beschluß die Staatsangehörigkeit in allen
Bundesstaaten.
§ 29
Der Verlust der Staatsangehörigkeit in den Fällen des § 26 Abs. 1, 2 und der §§ 27, 28 sowie der Wiedererwerb der
Staatsangehörigkeit in den Fällen des § 26 Abs. 3 Satz 2 erstreckt sich zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder,
deren gesetzliche Vertretung dem Ausgeschiedenen oder dem Wiedereingebürgerten kraft elterlicher Gewalt zusteht,
soweit sich die Ehefrau oder die Kinder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft befinden. Ausgenommen sind Töchter, die
verheirat sind oder verheiratet gewesen sind.
§ 30
Ein ehemaliger Deutscher, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Reichsangehörigkeit durch Entlassung verloren
hat, aber bei Anwendung der Vorschrift des § 24 Abs. 1 als nicht entlassen gelten würde, muß auf seinen Antrag von dem
Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er seit dem im § 24 Abs. 1
bezeichneten Zeitpunkt seinen Wohnsitz im Inland behalten hat und den Erfordernissen des § 8 Abs. 1 entspricht, auch
den Antrag innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes stellt. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 findet
Anwendung.
§ 31
[1] Ein ehemaliger Deutscher, der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Reichsangehörigkeit nach § 21 des Gesetzes
über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 255)
durch zehnjährigen Aufenthalt im Ausland verloren hat, muß von dem Bundesstaat, in dessen Gebiet er sich
niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er keinem Staate angehört.
[2] Das gleiche gilt von dem ehemaligen Angehörigen eines Bundesstaats oder eines in einem solchen einverleibten
Staates, der bereits beim Inkrafttreten des Gesetzes vom 1. Juni 1870 nach Landesrecht seine Staatsangehörigkeit durch
Aufenthalt außerhalb seines Heimatstaats verloren hat.[6]
§ 32
[1] Ein militärpflichtiger Deutscher, der zur Zeit des Inkrafttreten dieses Gesetzes im Inland weder seinen Wohnsitz noch
seinen dauernden Aufenthalt hat und vor diesem Zeitpunkt das neunundzwanzigste, aber noch nicht das
dreiundvierzigste Lebensjahr vollendet hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf zweier Jahre, sofern er
innerhalb dieser Frist keine endgültige Entscheidung über seine Dienstverpflichtung herbeigeführt hat.
[2] Ein fahnenflüchtiger Deutscher der im § 26 Abs. 2 bezeichneten Art, der zur Zeit des Inkrafttreten dieses Gesetzes im
Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat und vor diesem Zeitpunkt das dreiundvierzigste
Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Ablauf zweier Jahre, sofern er sich nicht
innerhalb dieser Frist vor den Militärbehörden stellt.
[3] Die Vorschriften des § 26 Abs. 3 und der § 29 finden entsprechende Anwendung.[7]
Dritter Abschnitt.
Unmittelbare Reichsangehörigkeit.
§ 33
Die unmittelbare Reichsangehörigkeit kann verliehen werden
1.
einem Ausländer, der sich in einem Schutzgebiete niedergelassen hat, oder einem Eingeborenen in einem
Schutzgebiete;
2.
einem ehemaligen Deutschen, der sich nicht im Inland niedergelassen hat; dem ehemaligen Deutschen steht gleich,
wer von ihm abstammt oder an Kindes Statt angenommen ist.
§ 34
Einem Ausländer, der im Reichsdienst angestellt ist und seinen dienstlichen Wohnsitz im Ausland hat, muß auf seinen
Antrag die unmittelbare Reichsangehörigkeit verliehen werden, wenn er ein Diensteinkommen aus der Reichskasse
bezieht; sie kann ihm verliehen werden, wenn er ein solches Einkommen nicht bezieht.[8]
§ 35
Auf die unmittelbare Reichsangehörigkeit finden die Vorschriften dieses Gesetzes über die Staatsangehörigkeit in einem
Bundesstaate mit Ausnahme der Vorschriften des § 4 Abs. 2, des § 8 Abs. 2, des § 10 Satz 2, des § 11 Satz 2, des § 12 Satz
2 und der §§ 14, 21 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß an die Stelle der Zentralbehörde des Bundesstaats
der Reichskanzler und an die Stelle der höheren Verwaltungsbehörde der Reichskanzler oder die von ihm bezeichnete
Behörde treten.
Vierter Abschnitt.
Schlußbestimmungen.
§ 36
Unberührt bleiben die Staatsverträge, die von den Bundesstaaten mit ausländischen Staaten vor dem Inkrafttreten
dieses Gesetzes geschlossen sind.
§ 37
Soweit in Reichsgesetzen oder in Landesgesetzen auf Vorschriften des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust
der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 oder des Gesetzes, betreffend die Naturalisation von Ausländern,
welche im Reichdienst angestellt sind, vom 20. Dezember 1875 verweisen ist, treten an deren Stelle die entsprechenden
Vorschriften dieses Gesetzes.
§ 38
[1] In den Fällen des § 7, der §§ 10, 11, 12, 30, 31 und des § 34 erster Halbsatz werden die Aufnahme- oder
Einbürgerungsurkunden kostenfrei erteilt. Das gleiche gilt für die Erteilung von Entlassungsurkunden
in den Fällen des § 21.
[2] Für die Erteilung von Entlassungsurkunden in anderen als in den im § 21 bezeichneten Fällen dürfen an
Stempelabgaben und Ausfertigungsgebühren zusammen nicht mehr als drei Mark erhoben werden.
§ 39
[1] Der Bundesrat erläßt Bestimmungen über die Aufnahme-, Einbürgerungs- und Entlassungsurkunden sowie über die
Urkunden, die zur Bescheinigung der Staatsangehörigkeit dienen.
[2] Die Landeszentralbehörden bestimmen, welche Behörden im Sinne dieses Gesetzes als höhere
Verwaltungsbehörden und als Militärbehörden anzusehen sind.
§ 40
[1] Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufnahme gemäß § 7, auf Einbürgerung in den Fällen der §§ 10, 11, 15, des §
26 Abs. 3, der §§ 30, 31, des § 32 Abs. 3 oder des Antrags auf Entlassung in den Fällen der §§ 21, 22 ist der Rekurs
zulässig.
[2] Die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren bestimmen sich nach den Landesgesetzen und, soweit
landesgesetzliche Vorschriften nicht vorhanden sind, nach den §§ 20, 21 der Gewerbeordnung.
§ 41
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1914 gleichzeitig mit einem Gesetze zur Abänderung des Reichsmilitärgesetzes sowie
des Gesetzes, betreffend Änderungen der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888 in Kraft.[9]
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Balholm, an Bord M. Y. "Hohenzollern", den 22. Juli 1913.
(L. S.) Wilhelm.
Delbrück.